„Quo vadis“, Meister? – Die zukünftige Rolle der Industriemeister

„Quo vadis“, Meister? Diese Frage stellte sich bereits vor mehr als 25 Jahren in einer dreiteiligen Artikelserie der Zeitschrift „IndustrieMeister“, die ich abonniert hatte. Das Ziel der Serie war es, eine zukunftsweisende Perspektive für Industriemeister aufzuzeigen. Heute stelle ich mir dieselbe Frage im Kontext der Entwicklung der Bestehensquoten von Industriemeistern. Als Gründer eines Bildungsträgers und insbesondere als Industriemeister Chemie interessieren mich die daraus resultierenden Konsequenzen für Betriebe und Unternehmen sowie die Faktoren, die zu dieser Entwicklung beitragen.
„Quo vadis“, Industriemeister der Neuzeit?
Betrachten wir zunächst die Durchfallquoten der Industriemeister in den Fachrichtungen Chemie, Pharmazie, Metall und geprüfter Fachmeister Logistik.

Es wird deutlich, dass die Ergebnisse tendenziell eine negative Entwicklung aufweisen – das System produziert zunehmend Wiederholer. Bevor wir mögliche Ursachen für diese Situation analysieren, ist es wichtig, beispielhaft einen Blick auf die Prüfungsergebnisse der Chemikanten in den relevanten Fächern des Industriemeisters zu werfen. Dabei schauen wir nicht auf die Bestehensquoten, die in der Ausbildung in der Regel hoch sind, sondern auf die bundesweite Entwicklung der fachspezifischen Ergebnisse während der regulären Ausbildungszeit von 3,5 Jahren.

Eine klare Ergebnisdiät ist im fachspezifischen Bereich sichtbar, die sich nachhaltig auf die Aufstiegsfortbildung zum Industriemeister Chemie auswirken. Diese Erkenntnis allein reicht jedoch nicht aus, um die Situation vollständig zu erfassen. Hinzu kommen die seit Mitte der 2010er-Jahre modern gewordenen Fortbildungsmodelle, die den Meister in 4, 9, 12, 16 sowie 18 Monaten versprechen. Ehemals gingen Meisterkurse 36 Monate in der ehemaligen BAYER-Meisterschule durfte gar nur teilnehmen, wer den Zulassungstest bestand.
Einfluss der IHK-Zulassungsvoraussetzung
Die IHK-Zulassungsvoraussetzungen befeuern das Thema zusätzlich. Schon in der Ausbildung (!) können Azubis trotz fehlender Berufserfahrung und noch nicht final vermittelten Grundkenntnissen an der Meister-Fortbildung teilnehmen. Ebenso Quereinsteiger, unabhängig davon, ob Sie überhaupt eine Ausbildung besitzen. Zum Zeitpunkt der ersten Teilprüfung sind lediglich 4 Jahre Berufspraxis mit wesentlichem Bezug zu den Aufgaben eines Geprüften Industriemeisters vorzuweisen. Ich werde also Meister eines Handwerkes, das ich selbst nicht beherrsche!
Diese für den Teilnehmer zeitlich attraktiv erscheinenden Modelle kommen vor allem den Anbietern zugute, da sie in immer kürzerer Zeit umso mehr Teilnehmer durchschleusen können. Strukturell und inhaltlich orientieren sich diese Modelle jedoch nicht an den Bedürfnissen der Teilnehmer, sondern an dem eigenen monetären Erfolg.
Verantwortung der Meisterschule
Wird der Bildungsträger hier seiner Verantwortung gerecht, die Teilnehmer als spätere Generalisten ihres Betriebs inhaltlich nicht nur bestmöglich auf die Meisterprüfung vorzubereiten, sondern auch für Ihren beruflichen Lebensweg? Oder den Impuls zur Entfaltung unerkannter Potenziale zu geben? Vermutlich eher nicht. Zumindest ist es nicht an den Ergebnissen erkennbar.
Diese Verantwortung wird letztlich allein auf die Teilnehmer übertragen, die bereits mit den Prüfungen auf Basis von Single-Choice zu kämpfen haben, wie die Prüfungsergebnisse aus der Ausbildung zeigen.
Selbst in Kursen, die 24 Monate und mehr laufen, haben die Teilnehmer mit der Durchdringung der Themen zu kämpfen. Werden die Teilnehmer zu Beginn gefragt, „Was ist euer Ziel?“ kommt sehr häufig 50+X%, leider wird dieses X immer kleiner.
Nachteile kurzzeitiger Industriemeisterkurse
Neben der Vermittlung des Lernstoffs gibt es weitere Themen, die den Kurzeitmodellen entgegenstehen. Neben der AEVO mit bis zu 80 EU werden in Summe über beide Prüfungsteile hinweg ca. 9-12 Wochen für die Prüfungsvorbereitung benötigt. Hinzukommen Unterrichtsausfälle, Feiertage, Ferien und private Unpässlichkeiten, die dann selbst 18 Monate extrem ambitioniert werden lassen.
Die Dozenten in den Bildungsträgern haben die Aufgabe, die Teilnehmer umfassend auf die Abschlussprüfungen vorzubereiten. Dies erfordert unbedingt einen angemessenen zeitlichen Rahmen, den viele der angebotenen Modelle nicht bieten.
Fazit:
Meiden Sie als Verantwortlicher im Sinne ihres Unternehmens und der Mitarbeiter Bildungsträger und Modelle mit verkürzten Laufzeiten.
Abschließend ein passendes Zitat von Felix Magath: „Qualität kommt von Qual.“